/Der Tragödie zweiter Teil FAust Ward ihr für meine Worte taub? Tausch wollt' ich, wollte keinen Raub. Dem unbesonnenen wilden Streich, Ihm fluch' ich; teilt es unter euch! CHorus Das alte Wort, das Wort erschallt: Gehorche willig der Gewalt! Und bist du kühn und hälst du Stich, So wage Haus und Hof und - dich. FAust Die Sterne bergen Blick und Schein, Das Feuer sinkt und lodert klein; Ein Schauerwindchen fächelt's an, Bringt Rauch und Dunst zu mir heran. Geboten schnell, zu schnell getan! - Was schwebet schattenhaft heran? /Mitternacht ERste Ich heiße der Mangel. /+ ZWeite Ich heiße die Schuld. DRitte Ich heiße die Sorge. / + VIerte Ich heiße die Not. ZU drei Die Tür ist verschlossen, wir können nicht ein; Drin wohnet ein Reicher, wir mögen nicht 'nein. MAngel Da werd' ich zum Schatten. / + SChuld Da werd' ich zunicht. NOT Man wendet von mir das verwöhnte Gesicht. SOrge Ihr Schwestern, ihr könnt nicht und dürft nicht hinein. Die Sorge, sie schleicht sich durchs Schlüsselloch ein. MAngel Ihr, graue Geschwister, entfernt euch von hier. SChuld Ganz nah an der Seite verbind' ich mich dir. NOT Ganz nah an der Ferse begleitet die Not. ZU drei Es ziehen die Wolken, es schwinden die Sterne! Dahinten, dahinten! von ferne, von ferne, Da kommt er, der Bruder, da kommt er, der - - - Tod. FAust Vier sah ich kommen, drei nur gehn; Den Sinn der Rede konnt' ich nicht verstehn. Es klang so nach, als hieß' es - Not, Ein düstres Reimwort folgte - Tod. Es tönte hohl, gespensterhaft gedämpft. Noch hab' ich mich ins Freie nicht gekämpft. Könnt' ich Magie von meinem Pfad entfernen, Die Zaubersprüche ganz und gar verlernen, Stünd' ich, Natur, vor dir ein Mann allein, Da wär's der Mühe wert, ein Mensch zu sein. Das war ich sonst, eh' ich's im Düstern suchte, Mit Frevelwort mich und die Welt verfluchte. Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll, Daß niemand weiß, wie er ihn meiden soll. Wenn auch ein Tag uns klar vernünftig lacht, In Traumgespinst verwickelt uns die Nacht; Wir kehren froh von junger Flur zurück, Ein Vogel krächzt; was krächzt er? Mißgeschick. Von Aberglauben früh und spat umgarnt: Es eignet sich, es zeigt sich an, es warnt. Und so verschüchtert, stehen wir allein. Die Pforte knarrt, und niemand kommt herein. Ist jemand hier? /+ SOrge Die Frage fordert Ja! FAust Und du, wer bist denn du? / + SOrge Bin einmal da. FAust Entferne dich! / + SOrge Ich bin am rechten Ort. FAust Nimm dich in acht und sprich kein Zauberwort. SOrge Würde mich kein Ohr vernehmen, Müßt' es doch im Herzen dröhnen; In verwandelter Gestalt üb' ich grimmige Gewalt. Auf den Pfaden, auf der Welle, Ewig ängstlicher Geselle, Stets gefunden, nie gesucht, So geschmeichelt wie verflucht. - Hast du die Sorge nie gekannt? FAust Ich bin nur durch die Welt gerannt; Ein jed' Gelüst ergriff ich bei den Haaren, Was nicht genügte, ließ ich fahren, Was mir entwischte, ließ ich ziehn. Ich habe nur begehrt und nur vollbracht Und abermals gewünscht und so mit Macht Mein Leben durchgestürmt; erst groß und mächtig, Nun aber geht es weise, geht bedächtig. Der Erdenkreis ist mir genug bekannt, Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt; Tor, wer dorthin die Augen blinzelnd richtet, Sich über Wolken seinesgleichen dichtet! Er stehe fest und sehe hier sich um; Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm. Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen! Was er erkennt, läßt sich ergreifen. Er wandle so den Erdentag entlang; Wenn Geister spuken, geh' er seinen Gang, Im Weiterschreiten find' er Qual und Glück, Er, unbefriedigt jeden Augenblick! SOrge Wen ich einmal besitze, Dem ist alle Welt nichts nütze; Ewiges Düstre steigt herunter, Sonne geht nicht auf noch unter, Bei vollkommnen äußern Sinnen Wohnen Finsternisse drinnen, Und er weiß von allen Schätzen Sich nicht in Besitz zu setzen. Glück und Unglück wird zur Grille, Er verhungert in der Fülle; Sei es Wonne, sei es Plage, Schieb er's zu dem andern Tage, Ist der Zukunft nur gewärtig, Und so wird er niemals fertig.