Der Tragödie zweiter Teil phorkyas Wie lange Zeit die Mädchen schlafen, weiß ich nicht; Ob sie sich träumen ließen, was ich hell und klar Vor Augen sah, ist ebenfalls mir unbekannt. Drum weck' ich sie. Erstaunen soll das junge Volk; Ihr Bärtigen auch, die ihr da drunten sitzend harrt, Glaubhafter Wunder Lösung endlich anzuschaun. Hervor! hervor! Und schüttelt eure Locken rasch! Schlaf aus den Augen! Blinzt nicht so und hört mich an! chor Rede nur, erzähl', erzähle, was sich Wunderlichs begeben! Hören möchten wir am liebsten, was wir gar nicht glauben können; Denn wir haben Langeweile, diese Felsen anzusehn. phorkyas Kaum die Augen ausgerieben, Kinder, langeweilt ihr schon? So vernehmt: in diesen Höhlen, diesen Grotten, diesen Lauben Schutz und Schirmung war verliehen, wie idyllischem Liebespaare, Unserm Herrn und unsrer Frauen. + chor Wie, da drinnen? + phorkyas Abgesondert Von der Welt, nur mich, die eine, riefen sie zu stillem Dienste. Hochgeehrt stand ich zur Seite, doch, wie es Vertrauten ziemet, Schaut' ich um nach etwas andrem. Wendete mich hier- und dorthin, Suchte Wurzeln, Moos und Rinden, kundig aller Wirksamkeiten, Und so blieben sie allein. chor Tust du doch, als ob da drinnen ganze Weltenräume wären, Wald und Wiese, Bäche, Seen; welche Märchen spinnst du ab! phorkyas Allerdings, ihr Unerfahrnen! das sind unerforschte Tiefen: Saal an Sälen, Hof an Höfen, diese spürt' ich sinnend aus. Doch auf einmal ein Gelächter echot in den Höhlenräumen; Schau' ich hin, da springt ein Knabe von der Frauen Schoß zum Manne, Von dem Vater zu der Mutter; das Gekose, das Getändel, Töriger Liebe Neckereien, Scherzgeschrei und Lustgejauchze Wechselnd übertäuben mich. Nackt, ein Genius ohne Flügel, faunenartig ohne Tierheit, Springt er auf den festen Boden; doch der Boden gegenwirkend Schnellt ihn zu der luft'gen Höhe, und im zweiten, dritten Sprunge Rührt er an das Hochgewölb. ängstlich ruft die Mutter: Springe wiederholt und nach Belieben, Aber hüte dich, zu fliegen, freier Flug ist dir versagt. Und so mahnt der treue Vater: In der Erde liegt die Schnellkraft, Die dich aufwärts treibt; berühre mit der Zehe nur den Boden, Wie der Erdensohn Antäus bist du alsobald gestärkt. Und so hüpft er auf die Masse dieses Felsens, von der Kante Zu dem andern und umher, so wie ein Ball geschlagen springt. Doch auf einmal in der Spalte rauher Schlucht ist er verschwunden, Und nun scheint er uns verloren. Mutter jammert, Vater tröstet, Achselzuckend steh' ich ängstlich. Doch nun wieder welch Erscheinen! Liegen Schätze dort verborgen? Blumenstreifige Gewande Hat er würdig angetan. Quasten schwanken von den Armen, Binden flattern um den Busen, In der Hand die goldne Leier, völlig wie ein kleiner Phöbus, Tritt er wohlgemut zur Kante, zu dem überhang; wir staunen. Und die Eltern vor Entzücken werfen wechselnd sich ans Herz. Denn wie leuchtet's ihm zu Haupten? Was erglänzt, ist schwer zu sagen, Ist es Goldschmuck, ist es Flamme übermächtiger Geisteskraft? Und so regt er sich gebärdend, sich als Knabe schon verkündend Künftigen Meister alles Schönen, dem die ewigen Melodien Durch die Glieder sich bewegen; und so werdet ihr ihn hören, Und so werdet ihr ihn sehn zu einzigster Bewunderung. chor Nennst du ein Wunder dies, Kretas Erzeugte? Dichtend belehrendem Wort Hast du gelauscht wohl nimmer? Niemals noch gehört Ioniens, Nie vernommen auch Hellas' Urväterlicher Sagen Göttlich-heldenhaften Reichtum? Alles, was je geschieht Heutigen Tages, Trauriger Nachklang ist's Herrlicher Ahnherrntage; Nicht vergleicht sich dein Erzählen Dem, was liebliche Lüge, Glaubhaftiger als Wahrheit, Von dem Sohne sang der Maja. Diesen zierlich und kräftig doch Kaum geborenen Säugling Faltet in reinster Windeln Flaum, Strenget in köstlicher Wickeln Schmuck Klatschender Wärterinnen Schar Unvernünftigen Wähnens. Kräftig und zierlich aber zieht Schon der Schalk die geschmeidigen Doch elastischen Glieder Listig heraus, die purpurne, ängstlich drückende Schale Lassend ruhig an seiner Statt; Gleich dem fertigen Schmetterling, Der aus starrem Puppenzwang Flügel entfaltend behendig schlüpft, Sonnedurchstrahlten äther kühn Und mutwillig durchflatternd. So auch er, der Behendeste, Daß er Dieben und Schälken, Vorteilsuchenden allen auch Ewig günstiger Dämon sei, Dies betätigt er alsobald Durch gewandteste Künste. Schnell des Meeres Beherrscher stiehlt Er den Trident, ja dem Ares selbst Schlau das Schwert aus der Scheide; Bogen und Pfeil dem Phöbus auch, Wie dem Hephästos die Zange; Selber Zeus', des Vaters, Blitz Nähm' er, schreckt' ihn das Feuer nicht; Doch dem Eros siegt er ob In beinstellendem Ringerspiel; Raubt auch Cyprien, wie sie ihm kost, Noch vom Busen den Gürtel. phorkyas Höret allerliebste Klänge, Macht euch schnell von Fabeln frei! Eurer Götter alt Gemenge, Laßt es hin, es ist vorbei. Niemand will euch mehr verstehen, Fordern wir doch höhern Zoll: Denn es muß von Herzen gehen, Was auf Herzen wirken soll. chor Bist du, fürchterliches Wesen, Diesem Schmeichelton geneigt, Fühlen wir, als frisch genesen, Uns zur Tränenlust erweicht. Laß der Sonne Glanz verschwinden, Wenn es in der Seele tagt, Wir im eignen Herzen finden, Was die ganze Welt versagt. euphorion Hört ihr Kindeslieder singen, Gleich ist's euer eigner Scherz; Seht ihr mich im Takte springen, Hüpft euch elterlich das Herz. helena Liebe, menschlich zu beglücken, Nähert sie ein edles Zwei, Doch zu göttlichem Entzücken Bildet sie ein köstlich Drei.